01.08.2019 - Wohnungsbau contra Kleingärten.
Dies war das Thema eines im SWR3 bei "Zur Sache! Baden Württemberg".
Drehort war unsere Kleingartenanlage,
"Fast 200 Kleingärten sollen in Freiburg 550 neuen Wohnungen weichen. Familie Horcher hat viel Herzblut, Geld und Arbeit in ihren Garten gesteckt......
Unsere Stellungsnahme hierzu:
Die Gärten im Lehener Wanner bestehen seit circa 100 Jahren. Ein kleiner Rest von 69 Gärten besteht heute noch. Früher war dieses Gebiet der Kleingärten viel größer und daran erinnert auch das Kunstwerk der rote Schlauch im Eschholzpark von 1982, der ein Wasserschlauch zum Bewässern der Gärten darstellt, und als Hommage an die verdrängten Kleingärtner erinnert. Kleingärten sind Kulturgut und Pächterwechsel auf unserem Gebiet selten und die Warteliste sehr lange. Viele Gärten werden seit Jahrzehnten von den gleichen Pächtern bewirtschaftet.
Die aktuell noch verbliebenen 69 Gärten bieten mit Bäumen unterschiedlichen Pflanzen verschiedensten Tieren ein Zuhause und sind wichtig für das Mikroklima der ganzen Stadt Freiburg.
Da die Kleingärten im Gebiet Lehener Wanner schon lange bestehen handelt es sich um ein wichtiges Rückzugsgebiet für Vögel, Insekten, Amphibien und Säugetiere. Dies zeigt sich auch bei der Vogelzählung des NABU. In privaten Gärten ist die Zahl der meisten Vogelarten in den letzten 15 Jahren stabil geblieben zum Beispiel Haussperling, Meisen und Amseln.
Die verschiedenen Wasserquellen in den Gärten auch Runzen genannt, teils verschattet dienen dem Schutz der Kleintiere.
Kleingärten des Lehener Wanner sind auf kleinem Raum ein ausgeprägtes Biotop durch die verschiedenen Pflanzen wie Gemüse, Blumen, Obst und hohes Gras und Wasserstellen und ist kein Vergleich mit einer grünen, kurz geschorenen Wiese auf der es nicht summen und brummen kann. Denn circa 80% der Nutzpflanzen und 90% der Wildpflanzen sind von der Bestäubung durch Insekten abhängig.
Die Kleingartenanlage Lehener Wanner bietet nicht nur den Menschen einen Rückzugsort, sondern auch den Tieren. Die Tiere werden nicht nur aus der Stadt sondern auch aus dem ländlichen Raum verdrängt. Hier leben zum Beispiel Igel, Eichhörnchen, Molche. Die Kleingärten bieten den Menschen einen Ort der Prophylaxe gegen Burn out, Depression, Resilienz, Stressabbau und einen Ort der Ruhe. Es ist auch ein Ort des Lernens von einander sei es im Bezug auf die Kinder, Nachbarn verschiedener Nationen und Kulturen und des Alters. Die Gärten sind eine wichtige Begegnungsstätte für die Integration. Weiterhin können in den Gärten Lebensmittel für gesunde Ernährung angebaut werden.
Die Initiative Gartenleben hat sich auf die Fahnen geschrieben nicht nur für unsere Gärten sondern auch für den Erhalt aller vom Bauboom bedrohten Kleingärten und Grün- und Ackerflächen einzusetzen, denn Kleingärten und Grünflächen sind gerade im Zusammenhang mit dem Klimawandel wichtig als grüne Lunge im innerstädtischen Bereich und als Kaltluftschneise.
Durch unsere Temperaturmessungen seit Juni 2018 an drei unterschiedlichen Standorten können wir nachweisen, dass nachts die Abkühlung in unbebauten Gebiet viel stärker ist (durchschnittlich 1,6 Grad) und es am frühen Morgen bis zu 3 Grad kühler ist.
Die Standorte im Schatten der Messungen sind im Lesegarten 499, in der Antoniterstraße und in der Lehener Straße.
Der geplante Wegfall aller Kleingärten im Lehener Wanner, trotz anderslautendem Gemeinderatsbeschluss von 2016 wird sich negativ auf die Temperatur im Stühlinger auswirken, der heute schon als Hotspot gilt. Die Initiativgruppe Gartenleben war bei allen stattfindenden Bürgerdialogen die das Gebiet Stühlinger West betreffen und haben dort auf den nicht umgesetzten Gemeinderatsbeschluss der da lautet so viele wie möglich Kleingärten zu erhalten hingewiesen. Wir fanden jedoch leider kein Gehör. Die Architekturbüros wurden darüber nicht in Kenntnis gesetzt.
Die Initiativgruppe Gartenleben hat 2016 ein Freiraumkonzept entwickelt. Das Konzept wurde von 15 Personen entwickelt. Dieses hat zum Ziel, dass sich das gesamte Gebiet für die Bürger öffnet. Es sind Themengärten vorgesehen zum Beispiel Lesegarten 499, der schon umgesetzt wurde. Jeder kann dort hin gehen und Bücher kostenlos ausleihen, eigene bringen, sich dort aufhalten. Der Lesegarten 499 wurde 2018 mit dem Preis UN Dekade biologische Vielfalt ausgezeichnet. Lesegarten für Alle – Gartenoase für Mensch und Tier in der Stadt. Dieser wird ehrenamtlich gestaltet und betreut.
Weitere mögliche Themengärten sind Schulgarten damit die Kinder wissen wo das Gemüse und Obst wächst, Duftgarten, englischer Garten in Bezug auf die Partnerstadt in England, Sinnesgarten, etc. Das Konzept wurde von 16 Gärtner*innen ausgearbeitet.
Der Ersatz der Kleingärten in St. Georgen Moosacker macht aus unserer Sicht keinen Sinn, unter anderem weil
1. ein Biolandwirt seine Anbauflächen verliert
2. der Weg dorthin deutlich zu lange ist. 30 Minuten einfache Radstrecke. In heißen Sommern ist es nicht möglich 2x am Tag zum Gießen zu fahren.
3. Keine Bäume vor Ort. Nur eine Wiese. Ohne Hütte. Kostenfaktor. Neuanfang nötig.
4. Für ältere Menschen käme nur das Auto als Transportmittel in Frage.
5. Temperaturmessung zeigt, Kaltluftschneiße und grüne Lunge ist im Stühlinger notwendig und nicht am Stadtrand.
Die Vernichtung aller Kleingärten im Lehener Wanner ist in unseren Augen ein Absurdum, da auf diesem Gebiet kein Wohnraum entsteht, sondern lediglich Grünfläche. In Zeiten des Klimawandels muss die Vielfalt der Gärten erhalten bleiben. Die Bienen müssen in den Gärten summen dürfen und nicht auf eine 30m entfernte extra angelegte Bienenwiese die heute ein Stoppelfeld ist, aber medienwirksam geschaffen wurde, verdrängt werden.
Die angedachten Gemeinschaftsgärten sind nicht für jeden Menschen geeignet, aber durchaus willkommen in der Gartenkolonie. Es muss aber trotzdem möglich sein, eine Wahl zu haben zwischen einem Kleingarten und einem Gemeinschaftsgarten. Die Kleingärten haben als Freizeitort genauso eine Berechtigung und Wichtigkeit wie es für andere zum Beispiel Sportplätze, Fitnessstudios und Kneipen sind.
Fazit: Der Klimawandel und der Klimaschutz beginnt vor unserer Haustür!